2022-10-31 | Jeder Beitrag zählt
„Jeder Beitrag zählt“
Der Zoff um Rohstoffe und Energie verschärft sich. Für die Verantwortlichen Anlass genug, die bewährten Wohlstandsparolen hervorzukramen und weitere Nebelkerzen zu zünden. Das ist der kleinste gemeinsame Nenner im Dauerwahlkampf der Blockparteien. In solchen Zeiten hat die Propaganda noch einmal Hochkonjunktur.
Kampagne „Jeder Beitrag zählt“ vom Ministerium mit dem paradoxen Namen [1], [2].
Nette Leute. Schön paritätisch zusammengecastet.
„Der Winter kommt...“ Ausgerechnet die Quoten-Afrikanerin darf uns diese dreiste Lüge auftischen. Wer bekommt jetzt wohl den „Schwarzen Peter“, falls es wirklich etwas kühler wird...!
Nach diesem latent rassistischen Eröffnungs-Gag kommt die Kernbotschaft, ebenfalls mit seltsam ironischem Unterton: Plötzlich sind die Ressourcen knapp! (Vorher gab es bekanntlich von allem im Überfluss.) Jetzt müssen alle sparen und ihren Beitrag leisten. Für Frieden und Klimaschutz!
Ach ja? Sparen müssen natürlich nicht wortwörtlich „wir alle“, sondern nur alle, die nicht in der Industrie tätig sind. Denn die muss weiterhin Unmengen an Energie und Rohstoffen verbrauchen, um Produkte für den Weltmarkt herzustellen. Zu ermäßigten Strom- und Gaspreisen, versteht sich. Damit „wir“ Wirtschaftsstandort und Exportweltmeister bleiben. Denn Wohlstand, Wachstum und Arbeitsplätze waren in diesem Land schon immer wichtiger, als Lebensqualität, Nachhaltigkeit und der ganze Umweltkram!
Ach, Julien, du siehst das wieder viel zu pessimistisch. In unsrer hochentwickelten Industrienation wird schon alles gut gehen, wenn wir nur paar mehr Solarzellen auf die Dächer packen! Der Wandel ist doch voll im Gange...!
Kann sein, dass ich das zu eng sehe. Die Mehrheitsbevölkerung nimmt es ja auch eher locker. Beispiel „Strom“:
In diesem unserem Land bezogen im Frühjahr 2022 noch 78 % der privaten Haushalte weiterhin dreckigen Strom aus Kohle, Gas und Kernkraft [3].
Wow, ganze 22 % Erneuerbare nach nur 20 Jahren „Energiewende“! So fortgeschritten ist das grüne Bewusstsein doch schon?
Für den vermeintlich günstigeren Preis leben also drei Viertel der lieben Mitbürgerinnen und Mitbürger weiterhin auf Kosten der Umwelt.
Für die lieben Mitbürgerinnen und Mitbürger bedeutet „Sparen“ nämlich: Nach Sonderangeboten und Billigtarifen Ausschau halten! Dass man den Wohlstand weiterhin vortäuschen kann. Die Heimsauna, der Urlaub, die achtlos in die Welt gesetzten Kinder, die Fernreise, das dicke Auto, der Riesenfernseher, das neueste Smartphone, die fiktive Alterssicherung, die Hälfte der Lebensmittel wegschmeißen. Am Lebensstandard sparen? Weniger verbrauchen? Absurd! Mit schaltbaren Steckdosenleisten fängt es an, schon gilt man als linksgrünversiffter Öko-Rebell.
So finden's die lieben Mitbürgerinnen und Mitbürger völlig okay, dass auf der Suche nach minderwertiger Braunkohle ganze Heimaten umgepflügt werden und die Abhängigkeiten von Gas und Öl eine echte Energiewende seit Jahrzehnten blockieren. Und unsere gute alte Atomkraft war im Prinzip auch voll okay. Mal abgesehen vom unlösbaren Abfallproblem, rätselhaften Leukämiefällen und kleineren Pannen, die zum Glück immer nur im Ausland passieren. Tschernnobyl, Fukushima...? No risk, no Fortschritt! Die Ökos reden doch immer von Nachhaltigkeit. Was gibt es Nachhaltigeres, als Atommüll! Tausende nachfolgende Generationen verdanken uns eine strahlende Zukunft und werden unsere mutigen wegweisenden Entscheidungen bewundern.
Du sparst neuerdings, weil du die Preise nicht zahlen willst.
Ich spare schon lange, weil ich Verschwendung hasse.
Wir sind nicht gleich.
- Bildquellennachweis: Screenshot TV-Ausstrahlung, Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, 10/2022
- https://youtu.be/ks3Ou-JLTes YouTube-Version „Jeder Beitrag zählt. Damit wir gut durch den Winter kommen.“, Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz:
- https://de.statista.com/themen/566/oekostrom/#topicHeader__wrapper Statistik 2022 zum Ökostrom: