Schwarzes Brett der Neuen Sachlichkeit


2022-04-04 | Kulturelle Aneignung

Kulturelle Aneignung

Als Weiße darf ich keine Filzlocken tragen, wenn mein Ethno-Sozio-Dingsbums nicht dazu passt. Das wäre nämlich kulturelle Aneignung. Ganz was Schlimmes!

Da glaubte ich doch jahrzehntelang, sich von anderen Menschen und anderen Kulturen das Eine oder Andere abzugucken, weil man es schön, faszinierend oder einfach nur nützlich findet, sei grundsätzlich erlaubt ... Multikulti, One World und so. Total naiv von mir!

Doch zum Glück gibt es die Sittenpo öffentliche Meinungsführer, die uns über dieses und jenes Missverständnis aufklären, Bewusstsein für die Problematik schaffen, an die Hand nehmen und unser Denken korrigieren. Wo nämlich die eigene „Kultur“ gefährdet ist, dürfen sich nicht noch fremde Elemente hineinmogeln. Klingt schlüssig. Man will ja nicht in jedem Jahrzehnt 'was Neues ausprobieren. Dann muss also gecancelt werden. Denn Kultur ist bekanntlich was Statisches, Abstraktes und Todernstes. Besonders, wenn noch religiöse Gefühle dazukommen. Man lernt eben nie dazu!

So ist es wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis sie auch mich bei kultureller Aneignung und Crossover-Frevel erwischen werden. Nach den Dogma-Regeln sollte ich mich dann wohl öffentlich distanzieren und konsequenterweise:

  • Als Deutscher zurück zu Sauerkraut und Kassler anstelle von Lasagne und Pizza...
  • Meine Fremdsprachenkenntnisse an den Nagel hängen.
  • Mein technisches Know-how entweder aufgeben oder in den Dienst einer Schurkenfirma stellen.
  • Zurück zum Ahnenerbe, zurück zur Runenschrift.
  • Aufhören, Schwarz zu tragen, weil das von Gruppen (Geistliche, Gothics, Künstler innen...) als anmaßend empfunden werden könnte.
  • Nie wieder Frauenschuhe tragen.
  • Nicht länger sparsam und ressourcenschonend leben, da dies die Religion der Wachstumsgläubigen beleidigt.
  • Militär und Kriegsphilosophie bejubeln, da mir die legitime Voraussetzung für echten Pazifismus, nämlich die persönliche Erfahrung von Kriegsversehrtheit, Kriegsgefangenschaft, Mordlust, bisher fehlt.
  • Alles tun, um es der moralisch überlegenen und fortschrittlichen Mehrheit recht zu machen!





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