Schwarzes Brett der Neuen Sachlichkeit


2018-07-28 | Reparatur Faxgerät AF310

Reparatur Faxgerät AF310

Seit 2006 nutze ich einen „Telekom Fernkopierer AF310“, Baujahr 1993, als PC-Drucker [1]. Das hat schon zu Windows-Zeiten sehr gut funktioniert und es funktionierte noch besser nach meinem Umstieg auf Linux.

Neulich habe ich es durch eine unglaubliche Nachlässigkeit leider doch geschafft, dieses als unverwüstlich geltende Faxgerät (vorübergehend) zu beschädigen. Anscheinend ist es bei hochsommerlichen Temperaturen nicht ratsam, das Gerät stundenlang mit abgedeckten Lüftungsschlitzen eingeschaltet herumstehen zu lassen. Drinnen wurde es ein wenig HEIẞ... Das merkte ich aber erst Stunden später, als ich doch noch was drucken wollte und verblüfft feststellte, dass die Steckdosenleiste für  Fax und Modem bereits eingeschaltet war. Anruf beim Fax-Gerät... Keine Reaktion, Display tot! Und es roch verdächtig „nach Netzteil“...

Im Weltnetz war kein Schaltplan und kein Service-Manual zum AF310 aufzutreiben. Jedenfalls nicht zu einem Faxgerät mit diesem Namen.

Kurzfassung:

  • Netzteil des AF310 wahrscheinlich infolge Wärmestaus ausgefallen
  • Demontage der Netzteil-Platine
  • Sichtprüfung auf kalte Lötstellen, Haarrisse, verdächtige Bauteile
  • Austausch wärmegeschädigter Bauteile
  • Wechsel der heruntergekommenen 3-Volt-Lithiumzelle
  • Wiederinbetriebnahme


Möge dieser Beitrag dem einen oder anderen unerschrockenen Praktiker, der sich mit einer ähnlichen Situation konfrontiert sieht, ein wenig Mut machen.





Öffnen des AF310

Die obere und untere Gehäuseschale werden von 4 silberfarbenen Kreuzschlitz-Schrauben (Feingewinde) zusammengehalten.
Zwei befinden sich auf der Rückseite neben dem Netzanschluss bzw. den Telefonbuchsen.
Zwei weitere sind nach dem Öffnen der Faxrollen-Kammer zugänglich.
Erfreulich: Es gibt keine versteckten Schrauben oder andere Schikanen, die einen Öffnungs- und Reparaturversuch vereiteln sollen.
Nach dem Öffnen des Gehäuses präsentiert sich ein gedrängter Aufbau mit vielen bunten Kabeln. Nur nicht abschrecken lassen! Das da vorn ist die Hauptplatine mit Stützbatterie, Prozessor und Treiberelektronik für Antriebsmotor und Thermokopf. Dahinter verbirgt sich das Schaltnetzteil auf einem winkligen Alu-Kühlblech. Auf der Sekundärseite war, sofern ich rankam, keine Spannung zu messen.


Mittendrin statt nur dabei

Um die Netzteilplatine genauer zu untersuchen, muss die Hauptplatine aus dem Weg. Für den späteren Wiederzusammenbau habe ich vorsichtshalber ein paar Vorher-Fotos gemacht. Erfreulicherweise sind die Stecker nicht vertauschbar und mit den recht langen Kabelsträngen kann man einiges auch gut im „ausgebreiteten“ Zustand testen.

AF310-Reparatur: Geöffnetes Gerät | Vorne Hauptplatine, dahinter die Netzteilplatine. Das Abenteuer kann losgehen.

Allerdings führt ein sehr kurzes 8-poliges Folienkabel von der untenliegenden schmalen CCD-Sensorplatine (Zeilenabtaster) zur Hauptplatine, auf dem Bild links-mittig zu sehen. Allein dieses Kabel verhindert, dass man die Hauptplatine weiter weg legen kann. Es ist auch dummerweise auf der Sensorplatine direkt festgelötet. Diese Verbindung könnte leicht brechen, wenn zu oft am Kabel gezogen wird. Das andere Ende steckt auf der Hauptplatine in einer Art ZIF-Sockel mit der Bezeichnung CN14 (weißes Rechteck hinter der blassblauen Stützbatterie unten links im Bild). Diese Verbindung ist lösbar. Zum Trennen einfach den Sicherungskragen nach oben ziehen.


Fehlersuche im Schaltnetzteil

AF310-Reparatur: Netzteilplatine | Mögliche Fehlerquellen wg. Überhitzung hervorgehoben; Thermoschalter, Leistungstransistor, verdächtige Elektrolytkondensatoren (hier bereits ausgetauscht)

Die Primärsicherung war in Ordnung. Gleichrichterkreis und Ladeelko waren offensichtlich auch in Ordnung. Also doch etwas Ernstes. Ausbauen, Kühlblech abschrauben.

Wie in der Radio- und Fernsehtechnik üblich, wenn man keinen (Schalt-)Plan, keine Referenzspannungswerte oder keinen Bock hat, sich allzusehr reinzufuchsen: Erstmal nach verdächtig aussehenden Bauteilen fahnden und auf Verdacht austauschen, wo anscheinend keine engtolerierten Werte gefordert sind.

(1) Zuerst hatte ich ja das Teil an der gelben verzwirbelten Strippe in Verdacht. Die Bauform war mir bekannt. Es war offensichtlich ein Thermoschalter. Irrtümlich vermutete ich, dass der im Ruhezustand geschlossen sein müsste. Er war aber hochohmig. Also überbrückte ich ihn voller Vorfreude, baute alles wieder zusammen, schaltete ein, und... es passierte nichts! Manchmal ist es wohl doch sinnvoll, Datenblätter VORHER zu lesen [2]... Dieser Thermoschalter schließt bei hoher Temperatur, hier 90 °C. Er funktionierte auch einwandfrei, das habe ich mit Feuerzeugflamme und Durchgangsprüfer getestet. Dieses Teil war also komplett unschuldig an der Misere. Wär' ja zu einfach gewesen. Wieder eingebaut, und das Abenteuer konnte weitergehen...

(2) Über den MOSFET 2SK1357 [3] fließt die gesamte elektrische Leistung des Gerätes. Bei einem Schaltnetzteilfehler ist so ein Teil stark ausfallverdächtig. Ich habe diesen Transistor probeweise ausgelötet, weil für den Austausch ein ähnliches Exemplar vorhanden gewesen wäre. Nur um festzustellen, dass er natürlich in Ordnung war...
Nach dem Wiedereinbau des Transistors schien am Übertrager für kurze Zeit eine Schaltfrequenz vorzuliegen, aber das Netzteil regelte gleich wieder runter. Möglicherweise hat irgendeine Schutzschaltung eingegriffen. Diverse Halbleiter und Widerstände wurden auf der Platine gemessen, soweit aber alles unauffällig.

Einige Elkos sahen beschissen aus. Diese Exemplare habe ich gegen Neuware, teils mit verbesserten technischen Daten, ausgetauscht:

(3) Elko 47µF/16V Typ 85°C (direkt neben hitzigem Stabilisator-IC!) ersetzt durch 47µF/35V Typ 105°C
(4) Miniatur-Elko 22µF/16V ersetzt durch 22µF/35V, normale Bauform, 105°C
(5) Elko 82µF/25V 105°C ersetzt durch 100µF/35V 105°C
(6) Elko 47µF/25V 105°C ersetzt durch 100µF/35V 105°C

Beim Nachmessen der ausgemusterten Elkos bestätigte sich dann, dass zwei Exemplare komplett ausgetrocknet waren.


Lötstellen

AF310-Reparatur: Platinen-Unterseite | Die Lötseite der alten Netzteilplatine war unauffällig. Kleinere Nachbesserungen.

Die meisten Lötstellen auf der Platinenunterseite sahen tiptop aus. Selbst unter dem Mikroskop und nach Reinigung einiger dunkler Bereiche gab die Platine keinen Grund zur Beanstandung. Für eine 25-jährige hat sie sich wirklich gut gehalten!
Einzig die Leiterbahnen um den Leistungstransistor wirkten nach der übereilten Aus- und Wiedereinlötaktion etwas ramponiert. Nach nochmaligem Löten und bei der nächsten Kühlkörpermontageaktion würden die Biegekräfte vielleicht zu Haarrissen führen. Daher habe ich diesen Bereich vorsorglich mit etwas Kupferdraht verstärkt.


Lithiumzelle

AF310-Reparatur: Hauptplatine | Lithiumzelle, Folienkabel Verbinder CN14

Auf der Hauptplatine war eigentlich kein Thermo-Schaden zu erwarten. Interessenshalber maß ich die Spannung an der Lithiumzelle. Die war von 3,0 V auf 0,7 V runter! Nach dem Auslöten bestätigte sich, dass das Teil ziemlich hochohmig geworden war. Vielleicht hat ihr der Hitzeschock nicht so gut getan. Ein Wunder, dass das Faxgerät bis zu dem kleinen Malheur immer korrekt Datum und Zeit wusste, wo es doch bei mir für Tage oder Wochen ohne Netzstrom auskommen musste. Eine neuere Stützbatterie konnte nicht schaden. Hier setzte ich eine Zelle vom Typ CR123A („Photo Battery“) ähnlicher Bauform ein.


Ergebnis: Nach dem Wiederzusammenbau meldet sich das AF310 zurück, als wäre nichts gewesen!

Lediglich Uhrzeit und Datum mussten neu eingegeben werden.


Fazit: Die genaue Ausfallursache ließ sich nicht eindeutig feststellen. Fest steht nur, dass mindestens eine Komponente unter Hitzestress versagt hatte. Fest steht auch, dass mindestens eine meiner von Erfahrung und Intuition geleiteten Gegenmaßnahmen die Kiste wieder zum Laufen gebracht hat. Großartig.






Nachträge 2023:

Was soll ich sagen... das olle AF310 läuft schon bald 5 weitere Jahre ohne Probleme!

Einzig die Beschaffung des Thermopapiers gestaltet sich in letzter Zeit etwas schwieriger. Die Preise haben ganz schön angezogen. Das dürfte zum Teil den inflationstrittbrettfahrenden Abzockkapitalisten geschuldet sein, zum Anderen, dass es sich mittlerweile um ein „Nischenprodukt“ handelt, heute längst durch technisch anspruchsvollere Lösungen ersetzt. Schließlich ist es nicht mehr „zeitgemäß“, für den Fax-Empfang ein einzelnes Gerät betriebsbereit zu halten. Heute muss das natürlich über VoIP oder eigenen Fax-Server laufen. Man gönnt sich ja sonst keine stromfressenden Abhängigkeiten...
Trotzdem ist das Thermopapier nicht vom Markt verschwunden, im Gegenteil. Millionen von Belegdruckern in den Supermärkten und anderswo arbeiten damit leise, schnell und zuverlässig. Bin daher zuversichtlich, dass sich auch in Zukunft noch Hersteller finden lassen, die ein klassisches Thermopapier im Faxrollen-Format anbieten. (Spannende Frage; zu welchem Preis?)
Wobei die „umweltfreundliche“ und augenschädigende Variante (blaustichig, unscharf, kontrastschwach) für meine Zwecke eher ungeeignet erscheint. Ich nutze Fax-Ausdrucke nämlich auch ab und zu für „das schnelle Platinenlayout zwischendurch“ im Fotopositivverfahren!

Neulich fand ich im Usenet-Archiv ein entzückendes Zeitdokument [4]: Die freundlich-unschuldige Anfrage eines gewissen Julien Thomas in de.sci.electronics, dessen Idee eines Faxgeräts als PC-Drucker natürlich von Klugscheißern und Apologeten der Verschwendungswirtschaft gnadenlos zerredet wurde, statt auch nur einen konstruktiven Vorschlag zu machen. Das sollte nicht das letzte Mal gewesen sein, wo mir die Arroganz fachidiotischer Snobs den entscheidenden Motivationsschub für ein neues Projekt verpasst hat. Denn wer lacht jetzt, 17 Jahre später? Was habe ich Kilowattstunden, CO₂-Ausstoß und Papier gespart, indem ich eben nicht jeden Scheiß ausdruckte und die Geräte normalerweise nach jeder Benutzung gleich wieder vom Netz trennte! Wieviel Ärger mit kaputten Nadeldruckköpfen, nachgetränkten Farbbändern, unzuverlässigen Tintenpissern und teuren Tonerkassetten blieben mir und der Umwelt bis dato erspart...!






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