Schwarzes Brett der Neuen Sachlichkeit


2017-05-10 | China-Netzteil mit Überraschungen

China-Netzteil mit Überraschungen

Aus meiner Elektronikpraxis: Der tausendste Versuch, mich umzubringen und meine Daten zu gefährden.

China-Netzteil | 5V und 12V für externe Festplatte. Sicherheitsphilosophie fraglich...
Dieses Schaltnetzteil 12V+5V gehörte zu einem externen Festplattengehäuse für stromhungrige 3,5-Zoll-ATA-HDDs. Es leistete gute Dienste und konnte selbst uralte Platten mit enormem Anlaufstrom wieder zum Leben erwecken. Irgendwann fiel mir dieses kribbelnde Gefühl auf, wenn ich die Metallflächen des Plattengehäuses berührte, während USB noch nicht eingesteckt war.

Verliebtsein war es jedenfalls nicht. Eher so ein Fall von deftig hoher „Berührungsspannung“! Die Glimmlampe im Spannungsprüfer glomm fröhlich vor sich hin. Die Messung mit einem hochohmigen Multimeter zeigte über 100 Volt zwischen Netzteil-Sekundärseite und PE/Erde. Scheinbar kein Y-Kondensator aber auch keine Ableitung der doch recht deftigen Fehlerspannung. Wozu dann der Schutzleiter? Diesem Rätsel musste ich auf die Spur kommen. Nach dem Öffnen des Gehäuses, das leider sorgfältig zugeklebt war, die erste Überraschung:

China-Netzteil Platinenunterseite | Schutzleiter nicht beschaltet.
Der dreipolige Kaltgerätestecker war nur zweipolig angeschlossen! Alles floatend wie bei 'nem billigen Steckernetzteil. Zwischen Primär- und Sekundärkreis liegt der obligatorische blaue Scheibenkondensator; er soll für die alibimäßige HF-Erdung sorgen, trägt aber natürlich ebenfalls zur „Kribbelspannung“ auf der Ausgangsseite bei.

China-Netzteil Platinenoberseite | Modifikation: Schutzleiter über Ableitwiderstand 100 Kiloohm an Masse auf Sekundärseite.
Die „Mod“ war einfach; Schutzleiter angezapft und über Ableitwiderstand 100 kOhm an Sekundär-Masse gelegt. Lässt die kapazitive Kribbelspannung zusammenbrechen, ist aber hochohmig genug, keine „Brummschleife“ über PC-Masse entstehen zu lassen. Problem gelöst... dachte ich. Doch was war DAS??? Es britzelte immernoch!

Erneute Messung zeigte, dass unvermindert Netzspannung am Ausgang lag. Wie jetzt...? Die haben doch nicht... Beim Durchpiepsen des mitgelieferten Kabels gab's dann die zweite wirklich originelle Überraschung: PASSEND ZU DIESEM BESONDEREN NETZTEIL hatte das vermeintliche Standardkabel natürlich AUCH KEINEN SCHUTZLEITER!!!

Momentchen mal ...

Ein Gerät täuscht Kaltgeräteanschluss vor, nutzt den PE aber gar nicht. Soweit kein Problem, wenn das Gerät ohnehin Schutzklasse 2 erfüllt.

Ein Kaltgeräteanschlusskabel mit Schukostecker voller Prüfzeichen und dreipoliger Kupplung ist in Wirklichkeit nur zweipolig belegt. What? NICHT OKAY!!! Wenn ich dieses Kabel an ein Schutzklasse-1-Gerät gestöpselt hätte...?

Scherzkabel - Er starb den Schutzleitertod nach VDE

Genug gemeckert. Mit einem echten Kaltgeräteanschlusskabel funktioniert nun alles wie gewünscht.

Ich stelle fest: Manches Produktimitat aus dem Rand des Rächerns ist okay und das Preis-Leistungs-Verhältnis unschlagbar. Vorausgesetzt, dass man die Sollbruchstellen und lebensgefährlichen Features rechtzeitig findet und korrigiert!






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