2016-03-04 | Digitalverstärker SA-50 am PC
Digitalverstärker SA-50 am PC
Mein analoger Vollverstärker, ein klobiger schwarzer Kasten aus dem vorigen Jahrtausend, verheizte schon im Leerlauf sagenhafte 30 Watt. Von „Leerlauf“ konnte in akustischer Hinsicht auch nicht mehr die Rede sein, da irgendwelche Komponenten ständig ein paranormales Gekruschel beisteuerten. Mit paar Elkos austauschen und Kontakte reinigen war es offensichtlich nicht mehr getan. Allerhöchste Zeit für eine moderne, kompakte und energieeffiziente Partytechnologie! Denn der Mensch kann vielleicht eine Weile ohne Alkohol auskommen, ohne Musik aber ganz bestimmt nicht.
Selbstbau-Ambitionen: Der Nachfolger sollte ein Klasse-D-Verstärker [1] mit hohem Wirkungsgrad sein. Als direkter Ersatz für einen gewöhnlichen Audioverstärker braucht es einen hochwertigen A/D-Wandler, der aus den analogen Eingangssignalen eine saubere Pulsweiten- oder Deltamodulation macht. Die kann als digitale Signalform mit verlustarmen Schaltverstärkern auf Leistungspegel gebracht werden, und erst am Schluss wird das digitale Power-Signal mit einem Tiefpass gefiltert und auf die Lautsprecher gegeben. Soweit die Theorie! Mit klassischer PWM und auch mit Deltamodulation hatte ich schon einschlägige Erfahrungen, allerdings nicht unbedingt unter „HiFi“-Aspekten. Damit es dieses Mal was Feines würde, bestellte ich ein paar rauscharme schnelle Komparatoren (KA319, LT1016) und probierte sie in den bekannten Schaltungskonzepten aus. Akustisch und messtechnisch waren die Ergebnisse tatsächlich noch besser, als alles, was ich schonmal mit Standardkomparatoren (LM393, TL084) fabriziert hatte. Die „Edel-PWM“ stand also zur Verfügung; allerdings bis dato nur auf Kopfhörerpegel, gepuffert von ein paar zweckentfremdeten CMOS-Treibern (74HC573) und mit Siebdrosseln und Kondensatoren pi mal Daumen entoberwellt. Vor der Leistungsendstufe hatte ich mich bisher erfolgreich gedrückt. Was Modernes mit MOSFETs war angedacht, doch schon nach den ersten Experimenten musste ich neidvoll anerkennen, dass mir für die Entwicklung einer guten PWM-Endstufe ein paar Jahre Erfahrung in diesem Spezialbereich fehlten. Meine Erlebnisse mit N-Kanal-MOSFETs waren eher aus der HF-Ecke. Eine fehlangepasste Antenne kann nicht in Flammen aufgehen, eine Dummyload in der Regel auch nicht; aber ein Lautsprecher, der zu viel DC oder/und HF abkriegt, sehr wohl. Meine Schutzstrategie für die Speaker war aber nicht hundertprozentig wasserdicht und überdies konnte ich mich nicht auf eine bestimmte Wandlerfrequenz festlegen, sodass die optimale Dimensionierung der Ausgangstiefpässse lange Zeit unklar blieb. Aber für den Erkenntnisgewinn hat es sich gelohnt. Jetzt konnte ich mich gut vorbereitet am Weltmarkt umsehen.
Kaufentscheid: Schließlich wurde es der SA-50 von S.M.S.L [2]. Dieses unscheinbare Kästchen, etwa so groß wie eine Dose Frühstücksfleisch, ist ein moderner Klasse-D-Verstärker mit analogen Eingängen und der Power von zweimal 50 Watt (!) an 4 Ohm. An meinen indiskotablen Boxen würde ich diese Spitzenleistung wohl kaum ausreizen, aber ein überdimensionierter Verstärker bietet bekanntlich eine Menge Dynamikreserve. Gut für Klassik, EBM usw.
Psychologischer Pluspunkt: Der Wirkungsgrad ist mit über 90 Prozent so hoch, dass man kein schlechtes Gewissen haben muss, wenn das Teil nur in „Zimmerlautstärke“ läuft. Dann wird nur entsprechend wenig Verlustleistung erzeugt und der Stromverbrauch ist fast schon vernachlässigbar. (Kontrastprogramm: Ein konventioneller Klasse-AB-Verstärker verheizt ungefähr die Hälfte der zugeführten elektrischen Leistung, egal ob ein Tönchen rauskommt oder nicht.)
Für meine Kaufentscheidung waren weniger die esoterisch angehauchten Diskussionen in einschlägigen Foren ausschlaggebend, als vielmehr die Tatsache, dass alle technischen Daten zum Verstärker-IC des SA-50 problemlos im Netz verfügbar sind [3]. Irgendwo fanden sich detailreiche Platinenfotos vom geöffneten Gerät. Die sahen so aus, als hätte man praktisch 1-zu-1 die Referenzschaltung aus dem Datenblatt übernommen. Dieses Gerät enthält definitiv keinen unnötigen Schnickschnack. Die Vermutung bestätigte sich später an meinem eigenen Exemplar.
Vorversuche: Mit Lastwiderständen, Sinusgenerator und Oszi vergewisserte ich mich, dass das geheimnisvolle Gerät auch wirklich das machte, was es sollte. Ja, der gesamte Audiobereich wurde linear und rauschfrei abgedeckt. Aliasingprodukte waren mit meinem Equipment überhaupt erst nachweisbar, als ich schon deutlich über dem hörbaren Frequenzspektrum lag. Besonders beruhigend: Kein „Einschaltplopp“, kein DC-Offset an den Ausgängen. Den ersten Hörtests an den kostbaren Lautsprechern stand nichts mehr im Wege.
Dazu schloss ich den Eingang des SA-50 direkt an den Line- bzw. zweiten Kopfhörerausgang der Soundkarte an. Eine Offenbarung! Schnell wurde klar, was die HiFi-Schwurbler mit „Transparenz“ und „Detailschärfe“ meinten. In der Tat kamen hier Feinheiten durch, die mir vorher nicht einmal mit Kopfhörer bewusst aufgefallen waren. Natürlich auch Artefakte von schlecht gerippten CDs und niedrig codierten MP3s... Selbst bei höchsten Lautstärken kein Anflug von irgendwelchen verstärkerbedingten Verzerrungen. Mit guten Programmquellen machte es schon jetzt richtig Spaß!
Problem: Einige Aufnahmen, die eher neutral abgemixt waren, empfand ich als ungewöhnlich frisch, aber spektral auch etwas flachbrüstig. Na klar, dem Klasse-D-Verstärker fehlt jede Anhebung der Höhen und Tiefen, wie sie bei analogen Verstärkerblöcken oft stillschweigend als „Normaleinstellung“ daherkommt bzw. technisch bedingt ist. Der Digitalverstärker ist gnadenlos objektiv; er dichtet nichts hinzu und nimmt nichts weg.
Nur mittige Töne, klingt ziemlich beschissen; die Tiefen und Höhen, ich will sie nicht missen...
In der Audiotechnik ist es nicht anders. Erst mit einer gesunden Portion Extremismus kommt Stimmung auf.
Nach einer geschlagenen Stunde Equalizer-Geschiebe am PC hatte ich eine Vorstellung davon, wie die Filterkurve aussehen sollte. Der Bereich ab 600 Hz bis etwa 2 kHz musste um bis zu 9 dB (Pegelunterschied Faktor 8!) abgesenkt werden, damit sich über den breiten Querschnitt meines Musikmaterials ein eher ausgewogenes Klangbild ergab. (Mir ist bewusst, dass solche Einschätzungen subjektiv sind und stark von den Eigenschaften der Lautsprecher, der Raumakustik und persönlichen Hörgewohnheiten beeinflusst werden. Aber die Tendenz, dass der mittige Bereich abgesenkt werden sollte, war offensichtlich; besonders im Vergleich zum Klangbild des alten Verstärkers!)
Solche permanenten Anpassungen im Spektrum sollte man nicht per Software-Equalizer vornehmen müssen. Ohne Spezial-Hardware werden Frequenzgangskorrekturen üblicherweise mit mehr oder weniger optimierter FFT-Rechnerei durchgeführt, und dabei entstehen garantiert mehr Artefakte und Phasenfehler, als mit irgendeiner Analogschaltung. Wie ich außerdem feststellen musste, ist der Eingangspegel des Quell-Datenstroms für das Equalizer-Plugin (jedenfalls bei 'pulseaudio' unter Linux) vergleichsweise kritisch. Bei sehr hoch ausgesteuerten digitalen Programmquellen stößt man an die Grenze des PCM-Wertebereichs, wenn einzelne Bänder weiter angehoben werden sollen. Bei sehr leisen Programmquellen wird es dann schon kruschelig, wenn einzelne Bänder stark abgesenkt werden. Zur Verschlimmbesserung fehlt jetzt nur noch das allseits beliebte Dynamikkompressor-Plugin... Tja, es wird wohl doch einen Grund haben, warum digitale Tonstudios in teure Hardware, massives Oversampling, DSP-Chips und deutlich mehr CPU-Leistung investieren... Ich dachte hier eher an eine Handvoll Widerstände und Kondensatoren!
Lösung: Der SA-50 bietet einen hohen Verstärkungsfaktor und eine hohe Eingangsimpedanz, fast wie ein Röhrenverstärker. Günstige Voraussetzungen, um ein passives analoges Filter vorzuschalten! Die Einfügungsdämpfung lässt sich problemlos ausgleichen und der Filterausgang wird durch einen hochohmigen Verstärkereingang kaum belastet, sodass man ihn in den Berechnungen (näherungsweise) ignorieren kann.
Keine aktiven Bauteile, keine Halbleiter im Signalpfad. Das bedeutet: keine eigene Stromversorgung, unbegrenzter Dynamikbereich, keine nichtlinearen Verzerrungen, kein additives Rauschen. Genau das Richtige für pragmatische Puristen!
So kam ich zu einer abgespeckten Variante der Baxandall-Schaltung [4]. Sie senkt das zugeführte Audiospektrum im Bereich der mittleren Frequenzen um etwa 6 dB ab, sodass auf PC-Seite meist gar kein Equalizer mehr benötigt wird. Jedoch behält man weiterhin die Option für all die netten digitalen Klangspielereien. Der Punkt ist: Weil die wesentliche Frequenzgangskorrektur über ein externes Filter stattfindet, lässt sich auf PC-Seite der Dynamikbereich von Soundkarte und Reglern optimal ausnutzen.
Das Schema zeigt einen von zwei Stereo-Kanälen meiner erprobten Filterschaltung. Die Bauteilewerte sind nicht kritisch, sollten aber aus Gründen der Symmetrie für linken und rechten Kanal auf wenige Prozent übereinstimmen. Die Folienkondensatoren sind vom Typ MKS.
C2 ______ L/R >---------o-----||------|______|--------. OUT | 10 nF R4 3k3 | | film | .-. | | | | R1 | | 2k2 o--------> Amp. L/R IN (R in = 20k) | | | '-' | PC- | | Audio | ______ | (R out = o----------|______|-----------' ~ 100 Ohm) | R3 2k2 C1 --- 1 µF --- film | | .-. | | R2 | | 330 | | '-' | GND >---------o--------------------------------------> Amp. GND
Quellen:
- https://de.wikipedia.org/wiki/Class-D-Verst%C3%A4rker Zum Klasse-D-Verstärker:
- https://www.amazon.de/ Ausnahmsweise bestellt bei ...
- https://www.mouser.de/datasheet/2/389/cd00205863-1796856.pdf Datenblatt TDA7492, Klasse-D-Verstärker-IC:
- https://learnabout-electronics.org/Amplifiers/amplifiers42.php Erklärseite zur „Baxandall“-Schaltung (Englisch):
Nachtrag 2020: Der SA-50 wurde kurze Zeit später samt mitgeliefertem Schaltnetzteil in den ITX-Cube eingebaut. Verstärker und Filter sind seitdem unverändert bei mir im Einsatz.